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Tagungsdokumentation 25. März 2011Das Tagungs-Organisationsteam mit den ReferentInnen des zweiten Tages (v. l.): Noma Kelbitsch und Mag. Godswill Eyawo (ProHealth), Rosaline M´bayo (Afrikaherz Berlin), Brigitte Köksal (Integrationsreferat), Mag.a Pauline Riesel-Soumaré und Elton Mtetwa (ProHealth), MPH Christoph Pammer (FH Joanneum Graz).
Rosaline M’bayo, Koordinatorin des Berliner Projekts „Afrikaherz”. Alle Fotos: Stadt Graz/Fischer
Der zweite Tag der Fachtagung „Die Gesundheit der MigrantInnen in Österreich”, organisiert von „ProHealth” und städtischem Integrationsreferat, begann mit dem Impulsreferat der Sozialpädagogin und Sozialarbeiterin Rosaline M’bayo. Sie ist seit zehn Jahren Koordinatorin des Projekts „Afrikaherz” in Berlin, einer Gesundheits- und Sozialberatung für afrikanische MigrantInnen. AfrikanerInnen - und M’bayo gab zu bedenken, dass Afrika aus 52 Ländern mit unglaublich vielen Kulturen und Ethnien besteht - kennen zwei Konzepte von Gesundheit und Krankheit:
„Schlange im Bauch” Wenn AfrikanerInnen krank werden, stellen sie sich deshalb zuerst die Frage: Geschah es auf natürlichem Weg oder ist die Krankheit eine Reaktion auf eine Tat? Hat meine Oma mich gehasst und mir deshalb das Leiden geschickt? Das Ergründen der Krankheitsursache ist sehr wichtig, ebenso wie der Glaube an Gott, an Engel und andere höhere Kräfte, die bei der Heilung helfen. Diese Krankheitskonzepte bringen MigrantInnen als kulturelles Gepäck mit nach Europa. „Jeder Mensch trägt seine Kultur wie eine Schnecke ihr Haus überall hin. Um AfrikanerInnen richtig behandeln zu können, muss der Arzt/die Ärztin wissen, woher der Mensch kommt, welche Einstellung er zu Gesundheit und Krankheit hat. Die/der Behandelnde muss sich Zeit nehmen zum Kennenlernen, muss Vertrauen aufbauen, zuhören, wie sich die PatientInnen fühlen. Wenn eine Frau klagt, sie habe eine ,Schlange im Bauch', dann ist sie nicht verrückt, das ist ihre Art zu sagen, welche Beschwerden sie hat”, erläuterte M´bayo.
Mangelnde Kultursensibilität Workshop mit Referentin Rosaline M’bayo (l). Neben ihr Noma Kelbitsch von „ProHealth”.
Als Ursachen der mangelhaften medizinischen Versorgung von afrikanischen MigrantInnen in Berlin nannte die „Afrikaherz”-Koordinatorin
Auf der Suche nach Problemlösungen: Mag. Godswill Eyawo (ProHealth) mit Tagungsteilnehmerinnen.
Die Konsequenzen daraus für die AfrikanerInnen:
Das Fazit der Referentin aus Berlin: Sprachprobleme + anderes Krankheitsverständnis + kulturelle Missverständnisse zwischen Medizinpersonal und MigrantInnen + Aufenthaltsprobleme + psychische Probleme, etwa durch langes Warten auf die Aufenthaltsgenehmigung = schwieriger Zugang von afrikanischen MigrantInnen zur Gesundheitsversorgung. Rosaline M’bayo abschließend: „Das Gesundheitssystem ist schon sehr kompliziert für Einheimische - wie sollen da MigrantInnen durchblicken? Deshalb ist die Politik gefordert, das System zu ändern. Und: MigrantInnen sollen Teil der Entwicklung von Konzepten für MigrantInnen sein!”
Gesundheit verschlechtert sich im neuen Land DSA Christoph Pammer, MPH, MA, brachte Daten und Fakten zur Gesundheitssituation
Mit zahlreichen Daten und Fakten über erworbene und über Ländergrenzen hinweg getragene Gesundheitsressourcen und Krankheitsrisiken sowie deren Veränderung in der neuen Heimat wartete DSA Christoph Pammer, MPH, MA, von der FH Joanneum in Graz auf. Pammer bestätigte auch seine Vorrednerin: Die vulnerablen Gruppen werden vom Gesundheitssystem in der Regel nicht erreicht. Gesundheit wird durch die sozialen Lebensbedingungen beeinflusst, allerdings nicht grenzenlos. In seinen sozialepidemiologischen Betrachtungen zeigte der Gesundheitswissenschaftler die Beziehung zwischen Wirtschaftsleistung und Lebenserwartung auf: Bis zu einem gewissen Grad ermöglichen Reichtum um Wohlstand Gesundheit, danach nicht mehr. Es geht einer Bevölkerung generell schlecht, wenn sie Ungerechtigkeit in der Einkommensverteilung zulässt. Zwar hat die Führungsebene wenig Gesundheitsrisiko, Menschen auf der unteren Beschäftigungsebene dafür ein vierfach so großes Risiko.
Kinder sind gesünder MPH Christoph Pammer forderte die TeilnehmerInnen in gleich drei Workshops.
MigrantInnen, so MPH (Master of Public Health) Pammer reisen im Allgemeinen mit guter Gesundheit ein - sonst wären sie zur Migration gar nicht in der Lage gewesen. In der Aufnahmegesellschaft verschlechtert sich das Risiko. Während zum Beispiel das (Brustkrebs-)Risiko bei deutschen Frauen sinkt, steigt es bei Migrantinnen. Nur bei der Müttersterblichkeit und bei Fehlgeburten (ein aussagekräftiger Indikator für die Qualität des Gesundheitssystem) ist die Entwicklung gegenläufig: Hier reisen die Frauen mit einem höheren Risiko ein, mit der Länge des Aufenthalts gleicht sich die Zahl der Todesfälle bei Migrantinnen und Einheimischen an. Interessant ist die Situation bei den Kindern: 0- bis 9-jährige MigrantInnen-Kinder erfreuen sich eines besseren Gesundheitszustandes als deutsche Kinder - weil sie in ihren Familien stärkere soziale Unterstützung bekommen.
Intensive Arbeit im Workshop: Mag.a Pauline Riesel-Soumaré von ProHealth mit MultiplikatorInnen.
Christoph Pammer führte weitere Krankheitsfaktoren an: MigrantInnen haben ein doppelt so hohes Armutsrisiko, sie arbeiten im Niedriglohnsektor und haben kaum Aufstiegschancen, mehr als ein Drittel lebt in Substandard- oder überbelegten Wohnungen, es herrscht ungleicher Zugang zu Gemeinde- und geförderten Wohnungen und ein ungerechter Zugang zu besseren Wohngegenden - „das ist strukturierter Rassismus”, so der Referent. Pammers Fazit: MigrantInnen importieren gute Gesundheitsrisiken. In der Aufnahmegesellschaft steigen das Sterbe- und das Krankheitsrisiko durch eine relative (in Bezug auf die Gesellschaft) Verschlechterung der sozialen und psychischen Gesundheit.
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